Nach den regionalen Konflikten kommt der Tourismus in Jordanien allmählich wieder in Schwung, während im Gesundheitstourismussektor neue Wege eröffnet werden.
Naachdem Transjordanien unter König Abdullah I 1946 seine Unabhängigkeit erlangte, entwickelte sich das moderne Jordanien rasch zu einer Nation, die es in bemerkenswert kurzer Zeit geschafft hat, ihren Einwohnern Frieden, Stabilität und Wirtschaftswachstum zu sichern. Die berühmteste touristische Sehenswürdigkeit des Königreichs ist zweifellos die Felsenstadt Petra, eine der bedeutendsten archäologischen Stätten der Welt, in der östliche Traditionen und hellenistische Kultur konvergieren.
Das Tote und das Rote Meer bilden einen weiteren Anziehungspunkt für Touristen, während in mehreren Städten, einschließlich der Hauptstadt Amman, eine Fülle von neu errichteten Luxushotels modernen Chic zu den majestätischen Ruinen vergangener Zivilisationen hinzufügen.
Die Angst vor Reisen in die Region hat seit 2011 natürlich ihren Tribut von der Tourismusindustrie des Königreichs gefordert, doch 2016 begann sich die Situation deutlich zu bessern.
Im Rahmen der Maßnahmen Jordaniens zur Förderung ausländischer Direktinvestitionen und zur Verbesserung des Unternehmensumfeldes wurde auch die Infrastruktur verbessert, was wiederum dem Tourismussektor zugutekommt. Oussama Massoud, Verwaltungsdirektor für Levante bei der InterContinental Hotels Group (IHG), die sieben Hotels in Jordanien betreibt, sieht den Flughafen von Amman, Queen Alia International Airport, als „ein Beispiel dafür, dass die Infrastruktur eine der Stärken Jordaniens ist“. „Außerdem ist Jordanien durch Autobahnen gut mit den umliegenden Ländern verbunden“, erklärt er.
Auch die Ausweitung des Hafens von Akaba ist ein gutes Zeichen für die Bemühungen Jordaniens, sich als größter wirtschaftlicher Knotenpunkt der Region zu positionieren. „Amman, die Hauptstadt, wächst sehr schnell“, fügt Massoud hinzu. „Überall in der Stadt werden große Bauvorhaben ausgeführt und in ganz Jordanien etablieren sich internationale Hotelketten.“
Jordanien ist für die Deutschen das zweitliebste Reiseziel der Region. Die deutschen Touristen gehören zu denen, die im Urlaub am meisten ausgeben. „Deutsche reisen gern und wir Jordanier haben eine sehr gute Beziehung zu ihnen“, sagt Massoud. „Sie sind seit 1960 daran gewöhnt, nach Jordanien zu reisen. Deutsche sind ausgezeichnete Botschafter: Wenn ihnen eine Destination gefällt, empfehlen sie diese Freunden und Bekannten, und dies macht sie weltweit zu äußerst gefragten Gästen.“
Angesichts der 69 Privatkliniken des Königreichs, von denen viele über hochmoderne Einrichtungen verfügen, und des ausgezeichneten Rufs seiner Ärzte ist es wohl kaum verwunderlich, dass der Gesundheitstourismus ca. zwei Drittel der gesamten Einnahmen des Tourismussektors ausmacht. Im Jahr 2015 nahm die Tourismusindustrie Jordaniens im Nahen Osten den ersten und weltweit den fünften Platz ein.
Wie vorauszusehen, war sie gegen die Auswirkungen der politischen Unruhen in den Nachbarländern nicht gefeit, und die Einnahmen des Sektors sanken 2016 in den ersten neun Monaten um 40 Prozent. Durch die Mobilität der Einwohner der Region wurde die Anzahl der Gesundheitstouristen geringer. Ein weiterer Faktor ist die Verschärfung der Einreisebedingungen für Patienten aus konfliktiven Ländern wie Jemen. Bevor diese Situation entstand, war der Sektor allerdings so stark und die Maßnahmen der Regierung zu seiner Unterstützung sind so effizient, dass Jordanien weiterhin eine vorrangige Position im Gesundheitstourismusmarkt einnimmt. „Wir leisten einen bedeutenden Beitrag zu verschiedenen Sektoren und am stärksten wirken sich diese in der Tourismusbranche aus“, sagt Dr. Nael Z. Al-Masalha, der Leiter des Al-Essra Hospital, das in Jordanien führend in Innovation und umfassender, modernster medizinischer Versorgung ist. „Wer wegen einer ärztlichen Behandlung nach Jordanien kommt, wird als Tourist angesehen. Patienten verbringen einige wenige Stunden im Krankenhaus, die restliche Zeit nutzen sie zum Einkaufen oder für eine Stadtbesichtigung. Noch dazu werden sie meistens von ihrer Familie begleitet.“ Er führt an, dass der Sektor laut Statistik ca. drei Milliarden US-Dollar zu den Einnahmen anderer Sektoren beiträgt. Mehr als 60 Prozent der Einnahmen aus dem Gesundheitstourismus werden nicht von den Gesundheitseinrichtungen selbst, sondern von Hotels, Fluggesellschaften, Geschäften und touristischen Sehenswürdigkeiten generiert, und sein Betrag zum BIP liegt bei rund 3,7 Prozent.
Zu den maßgeblichen Wachstumstreibern im Sektor Gesundheitstourismus gehört die auch weiterhin umfassende Exporttätigkeit der jordanischen Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Laut Prognosen wird der jordanische Markt für Medizinprodukte bis 2018 ein überdurchschnittliches Wachstum von 9,3 Prozent pro Jahr verzeichnen. Jordanien kauft auch viele deutsche Geräte. Dazu sagt Dr. Al-Masalha: „Wir halten sie für die weltweit besten, was Qualität betrifft. Sie sind teurer, aber sehr robust und langlebig.“
Angesichts der voraussichtlichen Errichtung neuer öffentlicher und privater Krankenhäuser ist zu erwarten, dass auch die Nachfrage für medizinische Geräte und Arzneimittel wachsen wird. Daher ist Jordanien bestrebt, die bereits mit Ländern wie Deutschland auf medizinischem Gebiet bestehenden Synergien zu verstärken, und dies nicht nur was den Handel mit Geräten betrifft.
„Meiner Ansicht nach bestehen drei substanzielle Synergien“, sagt Dr. Al-Masalha. „Erstens hinsichtlich der bereits erwähnten Geräte. Zweitens gehen 70 Prozent unserer jungen Mediziner nach Deutschland, um dort ein paar Jahre als Ärzte zu arbeiten und zugleich Deutsch zu lernen. Wir sind fest davon überzeugt, dass sich ihnen in Deutschland ausgezeichnete Bildungs- und Beschäftigungschancen bieten. Drittens absolvieren unsere Mediziner Kurzzeitkurse in Deutschland, um ihr Wissen in bestimmten Bereichen zu erweitern.“
Mit mehr als 28.000 Ärzten, von denen die meisten ihre Facharztausbildung in den Vereinigten Staaten, Kanada, Großbritannien oder anderen europäischen Ländern absolviert haben, und einem stets wachsenden Aufgebot an Krankenpflegern mit Erfahrung in den neuesten Methoden der Patientenbetreuung ist es nicht verwunderlich, dass Jordaniens Gesundheitssektor einen hervorragenden Ruf genießt.
Die Investitionen in Gesundheitswesen und Wellness werden von der Regierung durch die jordanische Anlagekommission aktiv gefördert. Die Tatsache, dass 9,3 Prozent des BIP dem Gesundheitswesen gewidmet werden, verdeutlicht die Bedeutung, die der Entwicklung einer hochwertigen Gesundheitsversorgung beigemessen wird. „Vor ungefähr 35 Jahren begann die Regierung, den Privatsektor zu unterstützen, was dazu führte, dass viele jordanische Ärzte aus den Vereinigten Staaten und Europa zurückkehrten, um die zahlreichen Chancen zu nutzen, die sich ihnen in privaten Einrichtungen bieten“, erklärt Dr. Al-Masalha.
Zukünftige Herausforderungen
Die Regierung setzt alles daran, die Hindernisse zu beseitigen, die den Gesundheitstourismussektor hemmen, und trifft die erforderlichen Maßnahmen, um die Leistungen der Branche zu steigern. Jordanien erwächst nämlich auf diesem Gebiet zunehmend Konkurrenz, und zwar im Fernen Osten, in Südamerika und in der Türkei.
Auch Dubai entwickelt sich rasch im Bereich Gesundheitstourismus. Der stärkste Konkurrent Jordaniens ist allerdings Indien, das Patienten aus den Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrats, vor allem aus Oman, anzieht, zumal es billiger und näher dem Golf gelegen ist.
„Wir müssen zusätzlich zu den traditionellen (arabischen) Märkten alternative Märkte erschließen, wie Nordafrika – zum Beispiel Marokko – oder Usbekistan, Kasachstan und europäische Länder“, sagte der jordanische Premierminister auf dem Globalen Forum für Gesundheitstourismus. Dieses Treffen fand im Februar 2017 in Amman statt, wodurch die Position Jordaniens als führende regionale und globale Gesundheitsdestination hervorgehoben wurde.